Averroismus

Averroismus
Averroịsmus
 
der, -s, die den Aristoteleskommentaren und der Lehre des Averroes (Ibn Ruschd) folgende theologisch-philosophische Richtung des lateinischen Mittelalters sowie der jüdischen Philosophie (mit Isaak Albalag, Ende 13. Jahrhundert; Mose Narboni, Anfang 14. Jahrhundert; Elia Delmedigo, 1460-97; v. a. Levi ben Gerson oder Gersonides). Die nähere Begriffsbestimmung sowie der zeitliche Beginn des Averroismus sind umstritten; ab 1230 wurde das Kommentarwerk des Averroes, vielfach als erste Version des Aristoteleskommentars, an den Universitäten des lateinischen Abendlandes bekannt. Averroes wurde als der »Kommentator« schlechthin zur maßgeblichen Autorität für die Aristotelesrezeption. Als Hauptvertreter des lateinischen Averroismus um 1250 wird auch Siger von Brabant angesehen, in dessen Werk die averroistischen Lehren von der Ewigkeit der Welt und der einen, allen Menschen gemeinsamen Vernunft, die sich nur vorübergehend mit dem sterblichen Individuum verbindet (Monopsychismus), aufgewiesen werden. Die u. a. durch Bischof Stephan Tempier (✝ 1279) 1270 und 1277 in Paris verurteilten »Errores averroistae« (averroistische Irrlehren) scheinen jedoch eher auf Lehren nichtchristlicher Autoren und den Aristotelismus zurückzugehen. Als »strenge« Averroisten werden die Vertreter der Lehre des Averroes in ihrer Gesamtheit nach dem 13. Jahrhundert aufgefasst. Dazu zählten: in Paris Johannes von Jandun (* um 1285, ✝ 1328), in Bologna (Anfang des 14. Jahrhunderts) Thaddaeus von Parma, Angelus von Arezzo, in Padua Paulus von Venedig (✝ 1429), Alexander Achillini (Anfang 16. Jahrhundert), Cesare Cremonini (* 1550, ✝ 1631). Albertus Magnus und Thomas von Aquino (»De unitate intellectus contra Averroistas«) haben den Averroismus als eine der christlichen Lehre widersprechende Anschauung bekämpft.
 
Die naturalistische Sittenlehre des Averroismus fand über die Vaganten bald Eingang im Volk und bereits im 13. Jahrhundert ihren Niederschlag in dem von Jean de Meung verfassten zweiten Teil des Roman de la rose.
 
 
M. Grabmann: Der lat. A. des 13. Jh. u. seine Stellung zur christl. Weltanschauung (1931);
 Franz Walter Müller: Der Rosenroman u. der lat. A. des 13. Jh. (1947);
 É. Gilson: History of Christian philosophy in the middle ages (New York 1955);
 F. van Steenberghen: Die Philosophie im 13. Jh. (a. d. Frz., 1977).

Universal-Lexikon. 2012.

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